Einleitung

Li pirtûka:
Die mundart der Mukri-Kurden
Berhema:
Oskar Man (1867-1917)
 16 Xulek  970 Dîtin

Die in vorliegendem Bande veröffentlichten Stücke kurdischer Epik, sowie die Prosaerzählungen und die volkstümlichen Verschen sind von mir in den Monaten Juni, Juli und August 1903 in Soujbulaq, der Hauptstadt der Provinz Mukri-Kurdistän, gesammelt worden. Über die geographischen Verhältnisse der kleinen Provinz, deren Verwaltung jetzt meist durch einen vom Gouvernement der Provinz Azärbäijän aus Täbriz gesendeten Gouverneur ausgeübt wird, findet man das Nötige zusammengestellt in de Morgans Mission scientifique en Perse, Vol. II, pag. I ff.)

Eine ältere, die verwickelten Stammesverhältnisse des Landstriches in hervorragend lichtvoller Weise behandelnde Darstellung rührt von H. C. Rawlinson her. ) Rawlinson hat auch einige Angaben der bekannten Kurdenchronik des Shäräf-eddin in seiner Darstellung verwertet; der 1860 publizierte Text dieses Werkes liefert uns eine weitere Reihe von geschichtlichen Daten über den Kurdenstamm der Mukri, welcher jetzt den größten Teil des Gebietes südlich und südwestlich vom Urmia-See in Besitz hält. Shäräf-eddin (Text, Bd. I, pag. 288) führt eine Tradition über die Herkunft der Mukrifürsten an, laut welcher diese Kurden eine Unterabteilung der Bäbäh, des in und um Sulaimäniyä auf türkischem Gebiete heimischen Kurdenstammes seien und in dem Distrikte Shähnzor ihre ursprünglichen Wohnsitze gehabt hätten. Das ist um so wahrscheinHcher, als die Mundart der Mukri und die der Bäbäh tatsächlich ein und dieselbe ist, wie im folgenden gezeigt werden wird. Zudem knüpfen noch heute die vornehmen Familien in Soujbulaq ihre Familientraditionen an die Bäbäh. Ferner zeigen die Angaben Rawlinsons über die eigentümhchen Grundbesitzverhältnisse unter den Mukri, die ich als auch heute noch geltend bestätigen kann, aufs deutlichste, daß wir in der herrschenden Familie, den Bäbä Amiriyä, die siegreichen Eindringlinge zu sehen haben, die durch Schwertesmacht sich die Landbevölkerung unterjocht und Grund und Boden unter sich geteilt haben. Die Kurdenchronik sagt, daß die Eroberer aus der Gegend von Sulaimäniyä gekommen seien und da die Zeit der Eroberung, die Regierung Ismails I. Säfäwi, nicht gar so weit von der des Shäräf-eddin entfernt ist, haben wir keinen Grund, der Angabe zu mißtrauen.

Daß die unterjochten Stämme ebenfalls Kurden waren, scheint daraus hervorzugehen, daß sich trotz des kurzen Zeitraumes von kaum 400 Jahren, der uns von jener Eroberung des Landes trennt, keinerlei Reste türkischer Bevölkerung und türkischen Idiomes nur solche könnten in Frage kommen innerhalb des Mukrigebietes mehr finden. Die ackerbauenden Klassen, die ra'tyät, nennen sich größtenteils zum Stamme der Debokri gehörig und man darf wohl vermuten, daß diese Debokri, welche in größerer Masse die östHchen Teile des Mukrilandes, den Distrikt Shär-werän, und die nach Miän-dü-äb hin gelegenen Täler des Tatäü und Jagatü bewohnen, die Reste der einstigen Bevölkerung darstellen, die von den Stammes- und sprachverwandten Mukri aus dem Besitze verdrängt worden ist.

Die östliche Grenze des Mukrisprachgebietes haben wir damit festgelegt: was östlich vom Tale des Jagatü gelegen ist, gehört den türkischen Idiomen, die auch noch beträchtliche Teile der Ebene von Miän-dü-äb beherrschen. Nach Süden zu gehören, soweit das persische Gebiet in Betracht kommt, noch die Distrikte von Bänä und Saqqiz zum Mukridialekte; kaum einige Stunden südlich von diesen beiden Städtchen beginnt in der Landschaft Märiwän, nach der türkischen Grenze zu gelegen, und bei dem Stamme der Tiläküi im Distrikte Hobatü, östhch davon, das Gebiet des eigentlichen Kurdistäni, der Mundart von Sinnä.

Vom Kern des Mukrilandes, um Soujbulaq herum, nach Westen gehend, haben wir im nördUchen Teile die drei Stämme der Bilbäs: die Mangur unmittelbar westlich von Soujbulaq, die Mämish, im Distrikt Lähijän, und weiter nordwestüch die Pirän, deren Dialekt nur unwesentlich von dem der Stadt Soujbulaq abweicht. Über die Ebene von Ushnü hinaus nach Norden zu erstreckt sich die Mukrimundart nicht; einzelne dem großen Stamme der Räwändi angehörige Clans, die ich wenige Stunden nördlich von Ushnü traf, bedienten sich des Mukri dialektes; doch liegt das eigentliche Gebiet der Räwändi weiter westlich nach dem Tale des großen Zab zu. Im Südwesten von Soujbulaq im Distrikt von Särdäsht, nach Bänä zu, hausen die Gaurik, die ebenfalls Mukri sprechen. Da ich auf türkischem Gebiete keinerlei Studien machen durfte, bin ich leider außerstande anzugeben, wie weit nach Westen sich das Sprachgebiet des Mukri erstreckt. Doch zeigten mir kurze Unterhaltungen mit Kurden aus Sulaimäniyä, sowie der Umstand, daß einige der in Soujbulaq besonders beliebten kurdischen Dichter aus Kerkuk, Därbänd und den Dörfern von Sulaimäniyä stammen, ziemlich sicher, daß ein wesentlicher Unterschied der betreffenden Mundarten nicht besteht, und die weiter unten zu besprechenden Materialien Chodzkos zum Dialekt von Sulaimäniyä bestätigen es.

Das Shäräfnämäh führt die Geschichte der Mukri bis zur Zeit des Verfassers, bis etwa zum Jahre 1595. Um die Geschichte der kurdischen Stämme nach diesem Zeitpunkte zu verfolgen, wäre ein Studium der zeitgenössischen Sefewidengeschichten und der bekannten allgemeineren Darstellungen der persischen Geschichte notwendig, und nach einigen von mir gemachten Proben kann ich im Hinblick auf die mannigfachen wichtigen Aufschlüsse, die mir diese Proben gaben, nur aufs lebhafteste bedauern, daß augenblickUch es mir zur weiteren Verfolgung dieser Aufgabe an der nötigen Zeit gebricht.

So berichtet z. B. Mirzä Iskähdär in seiner bekannten offiziellen Geschichte des Shäh 'Abbäs, in dem Tärikh-i-'älämäräi, von langwierigen Kämpfen der Bärädost, eines den Mukri verwandten und benachbarten Stammes, und der Mukri gegen die Truppen des Perserkönigs. Dieser Bericht eines Augenzeugen - Mirzä Iskändär berichtet ausdrücklich von seiner persönlichen Teilnahme an dem Feldzuge ist für uns um so wichtiger, als derselbe Kampf Gegenstand eines der schönsten und verbreitetsten kurdischen Volksepen ist, nämlich des Gedichtes von der heldenmütigen Verteidigung der Burg Dimdim durch den Häuptling der Bärädost Ämir Khan, den Goldhand". )

Auch die Geschichte des Nadir Shäh von Mirzä Mähdi Khan liefert reichhche Ausbeute.

Über die neueren, besonders durch die Einwanderung der türkischen Qarapapakh aus Georgien in die Landschaft Solduz, den westlichen Teil des Südufers des Urmiasees, hervorgerufenen Völkerverschiebungen liegen in dem oben angeführten Aufsatze Rawlinsons gute Nachrichten vor.

Heutzutage ist bei weitem der größte Teil der in dem oben begrenzten Mukrigebiete hausenden Stämme seßhaft geworden. Sie wohnen in recht elenden Lehmdörfern; im Sommer schlagen sie, meist dicht neben dem Dorfe, ihre schwarzen Zelte auf und bleiben bis nach Beendigung der Erntearbeiten in den luftigen Zelten. Nur ein kleiner Teil der Kurden hier sind Halbnomaden, die im Winter ebenfalls ihre festen Wohnsitze haben, aber nur wenig Ackerbau treiben, gerade nur soviel, wie für die eigenen Bedürfnisse nötig ist.

Im Sommer ziehen sie mit ihren Herden auf die Bergweiden, bleiben die wärmere Jahreszeit über in steter Bewegung und kehren erst zum Herbst in ihre zurück, in denen inzwischen einige wenige zurückgebliebene Familien den Acker soweit versorgt haben, daß der zurückgekehrte Stamm die Erntearbeit beginnen kann. Nomaden im eigentlichen Sinne des Wortes gibt es in diesen Teilen Kurdistans nicht mehr.

Über die Sprache dieser Gruppe kurdischer Stämme lagen bis vor kurzem nur zwei wenig umfangreiche Arbeiten vor.

I. A. Chodzko, Etudes philologiques sur la langue kurde (dialecte de Soleimanie), im Journal Asiatique, Avril-Mai 1857, pag. 297-354.

Chodzko hat seine Materialien von einem aus Sulaimäniyä stammenden Chef der Bäbähkurden, der sich im Jahre 1853 längere Zeit in Paris aufgehalten hat. Über Chodzkos Arbeit im allgemeinen hat sich P. Lerch ausgesprochen; hier bleibt nur übrig, an einzelnen besonders in die Augen springenden Punkten die Übereinstimmung des von Chodzko behandelten Dialektes mit dem Mukri darzutun.

1. Das dem Mukri eigentümliche dälem sage" hat Chodzko als derem درم Daß der kurdische Gewährsmann den im arabischen Alphabet nicht vorhandenen l-Laut mit ر und Chodzko ihn dementsprechend mit r wiedergibt, ist nicht verwunderlich. Ich habe von Leuten aus Sulaimäniyä deutlich l gehört. Ebenso in sar für säl Jahr" usw. Das VerbalPräfix hal- gibt Ch. als her, aber auf pag. 346 hat er hal- destem und haldegra.

2. Das Affix -awa ist beiden Mundarten gemeinsam, im Gegensatz zu den westlichen Kirmänjidialekten, welche dafür das Präfix wä ڤە verwenden; siehe unten § 59. 60. Chodzko pag. 345: بخوینوا = Mukri bekhoinawa “daß wir wiederum essen", und öfters.

3. Die im Mukri sehr häufigen Formen des optativus perfecti auf -äya siehe Ch. pag. 339 und öfters. Vergl. unten § 83, dazu noch einige recht zweifelhafte Formen aus Prym-Socin bei Justi, Gr. pag. 187.

Das bei Chodzko belegte pron. demonstrativum am findet sich dagegen im Mukri nicht; darüber siehe unten § 38, Anm.

II. A. Houtum-Schindler, Beiträge zum kurdischen Wortschatze, in ZDMG. XXXVIII, pag. 43109.

Nach einem recht umfangreichen Vokabular persischer und kurdischer Mundarten, zu welchem der Mukridialekt einen besonders reichen Anteil geliefert hat, gibt H.-Schindler einige Notizen zur Grammatik des Mukri, sowie einige kurze Sätze. Besonders die grammatischen Notizen enthalten manche fehlerhafte Auffassung der Spracherscheinungen; der einzelnen Punkte wird im folgenden gedacht werden. Als Materialsammlung ist der Beitrag H.-Schindlers wertvoll.

Im Jahre 1904 ist nun zu diesen Arbeiten der fünfte Band von de Morgans Mission scientifique en Perse hinzugekommen, der in seinem ersten Teile zugleich mit vielen andern mehr oder weniger kurdischen Dialekten auch das Mukri von Soujbulaq behandelt. Schon in den 1894 und 1895 herausgegebenen ersten Bänden der hat der Verfasser uns auf diese über die persischen Dialekte" hingewiesen, und schon damals mußte ich gegen die linguistischen Vorstellungen de Morgans, von denen er eine kleine Probe mitteilte, energisch protestieren. ) Leider ohne Erfolg; denn was dieser Band, dessen prachtvolle Ausstattung in so schreiendem Gegensatze zu dem dürftigen Inhalte steht, an fast kindisch zu nennenden Aufstellungen und Formenerklärungen bietet, geht noch weit über das Maß dessen hinaus, was uns die eben erwähnten Proben ahnen ließen. Leider verbietet der hier zu Gebote stehende Raum, die schier unglaublich falschen und schiefen Urteile näher zu beleuchten; einiges habe ich in der folgenden Anmerkung zum Beweise meines harten Urteiles gegeben; wer Muße dazu hat, mag an der Hand meiner Darstellung die linguistiques" des Flerrn de Morgan prüfen: einige heitere Stunden werden die Mühe belohnen. Man kann von einem Ingenieur sicher keine Kenntnis der Sprachwissenschaft verlangen, das wäre die einzige Entschuldigung für dieses Machwerk.

Die zugrunde liegenden Materialien, soweit sie den uns hier beschäftigenden Mukridialekt betreffen, bestehen aus einem umfangreichen Vokabular, einigen grammatischen Paradigmen, sowie einer nicht eben großen Anzahl von kurzen Sätzen. Die Transskription der kurdischen Worte ist ganz der französischen Orthographie angepaßt, daher besonders bei der Wiedergabe der Diphthonge sehr umständlich und unübersichtlich. Immerhin wären die Materialien brauchbar, wenn sie ohne die linguistischen Erklärungen des Verfasses, die mit einer großen Menge von ihm nicht verstandener Avesta-, Pehlevi-, armenischer usw. Worte in Originaltypen marktschreierisch aufgeputzt sind, veröffentlicht worden wären. Aber vieles ist auch in den Materialien sicher falsch. So z. B. die auf pag. 87 gegebene Konjugation des Präsens deinasem, die eben persisch, aber nicht kurdisch ist; auf pag. 96 gibt der Verf den Pluralis richtig, ohne sich der früher gegebenen Formen zu erinnern.

pag. 88 nit heißt nie “du bist nicht"; überhaupt kommt im Mukri die Endung -t für die 2. Person sing, praes. nie vor. Aber bei de Morgan ist diese falsche Angabe durch das ganze Paradigma (auf pag. 89 und 90) verbreitet. Hier sind stets die 3. Personen als zweite, und umgekehrt, aufgeführt. Man ist versucht, hierin eine dem Geiste de Morgans entsprossene Verbesserung der Angaben seines kurdischen Gewährsmannes zu sehen. Denn die 2. Person sing, auf i und die 3. sing, auf -et oder -äl paßt nicht in die krausen Theorien de Morgans von den Personenendungen des Präsens, die ihm weiter nichts sind, als die suffigierten Pronomina personalia; da paßt schon das / besser zur 2. Person und das i zur 3. Person; also hat sich der Kurde geirrt und naikatatva muß 2. Person, neikeiowa 3. Person sein!

pag. 76. Die weitaus gebräuchlichere Form des pron. pers. der 2. Pers. plur. ango fehlt bei de Morgan, eiva ist sehr selten, und sicher nur gelegentlich aus anderen, südkurdischen Dialekten ins Mukri eingedrungen.

Einige weitere Richtigstellungen allgemeinerer Art wird man noch in der unten folgenden grammatischen Skizze finden. Die Wortlisten sind zwar umfangreich, aber auch nur mit Vorsicht zu gebrauchen. Es ist nicht genügend Sorgfalt darauf verwendet, die einzelnen Worte durch alle untersuchten Mundarten zu verfolgen ; häufig fehlt die Angabe, daß das für einige Dialekte gegebene Wort in den anderen ebenfalls gebraucht wird, so daß die falsche Vorstellung erweckt wird, als kennen einige Dialekte gewisse Worte nicht, obwohl sie tatsächlich gäng und gäbe sind. So fehlt unter خوابیدن “dormir” das Mukriwort nüstin, während unter خوابیدن “coucher" das gänzlich unsinnige raostati ) aufgeführt ist. Man vergleiche, was de Morgan über seine Auswahl der Worte in der Vorrede sagt.